Interview Dirk Hohmeyer

Das Interview 2009 mit Dirk Hohmeyer

Gunter Matejka vom Fachmagazin MUSIKMARKT LIVE sprach mit Organisator Dirk Hohmeyer:


"Für mich die totale Verwirklichung" - Dirk Hohmeyer über das Erfolgsgeheimnis von "Nokia Night Of The Proms"


Kaum ein anderes Live-Projekt hat in den letzten Jahren für mehr Furore gesorgt als "Nokia Night Of The Proms". Seit dem Deutschland-Start 1994 wachsen Fangemeinde und Tourkalender beträchtlich. In diesem Jahr steuert das Unternehmen eine neue Rekordmarke an, wenn vom 28. November bis 21. Dezember mindestens 18 Mal die größten deutschen Arenen gebucht sind. Grund genug, um mit P.S.E.-Geschäftsführer Dirk Hohmeyer ein ausführliches Gespräch zu führen.


Gunter Matejka: Glückwunsch, wieder konnten Sie ohne Werbung und vor Bekanntgabe der auftretenden Künstler fast 50 Prozent aller Karten für die "Nokia Night Of The Proms" verkaufen. Davon können andere Veranstalter doch nur träumen...

Dirk Hohmeyer: Ich weiß, das ist schon großer Luxus. Es ist uns offensichtlich wirklich gelungen, eine Marke zu etablieren. Es ist auch befriedigender, eine spannende Show zu produzieren, als sie vermarkten zu müssen.. Natürlich wird ein sehr, sehr hoher Anspruch an uns gestellt. Aber es ist schön zu wissen, dass einem über 80.000 Menschen blind vertrauen.


Was sind das für Menschen, wie beschreiben Sie den Zuschauer von "Nokia Night Of The Proms"?

Wir haben knapp 90 Prozent "Wiederholungstäter". Das heißt: Unser Publikum kommt immer wieder – das haben wir uns durch langfristige Arbeit, Kontinuität und Qualität erarbeitet. Rund 30 Prozent unseres Publikums kauft die Karten unmittelbar nach der Show, also für die Aufführungen im Jahr darauf. Sie wissen einfach, dass wir sie gut unterhalten werden.


Doch bis dahin war es ein weiter Weg...

Kann man so sagen. 1995, im ersten Jahr, haben wir in München 2500 Karten verkauft – und 5000 verschenkt. Im nächsten Jahr waren es 5600 verkaufte Karten. Doch schon 1997 war die Show in der Olympiahalle das erste Mal ausverkauft. Warum? Weil die Leute zufrieden waren und über diese Erfahrungen gesprochen haben. Das hat schnell die Runde gemacht. Heute haben wir Fans, die gleich als ganze Gruppe kommen. Wie zum Beispiel Kegelclubs oder eine Fan-Gruppe aus Hessen, die reist gleich mit zwei Bussen an. Das ist schon phänomenal.


Wie erreichen Sie diese Leute?

Wir haben eine sehr gute Website, ein offenes und flexibles Forum. Wir haben einen Webblog, der es allein auf über 150.000 Hits bringt. Außerdem versenden wir einen Newsletter an über 20.000 Fans.


Was macht diese Show so einzigartig? Welches Bedürfnis befriedigen Sie bei Ihren Besuchern mit "Nokia Night Of The Proms"?

Da kommen unterschiedliche Dinge zusammen: Die Show bietet zum einen immer wieder überraschende Momente, wobei manches sicherlich polarisierend wirkt. Was aber kein Nachteil ist. Denn wenn jemand partout mit einem Act nichts anfangen kann, bekommt er nach 15 Minuten bereits den nächsten Künstler geboten. Die "Nokia Night Of The Proms" bietet zudem eine ideale Fläche für Firmen, die Kunden zu einer Veranstaltung einladen möchten. Andererseits ist die Show auch ein ideales Forum für Sponsoren. Die größte Rolle beim Erfolgsrezept spielt aber die kompromisslose Qualität der Acts – es sind zudem Künstler, die man nicht so oft live zu sehen bekommt. Und die hier in einem neuen Umfeld auftreten. Die moderaten Eintrittspreise sorgen für das "i"-Tüpfelchen.


Wie hoch ist der künstlerische Einfluss Ihres Hauptsponsors Nokia?

Der liegt bei Null. Da gibt es einfach eine Grenze zwischen Sponsoring und Endorsement. Wir arbeiten bereits seit 1996 mit Nokia zusammen, was für uns natürlich eine Auszeichnung ist. Damals war Nokia eine kleine finnische Firma mit irrsinnigen Perspektiven – und wir waren nur eine kleine Firma mit einer Vision. Wir haben gut zusammen gepasst, und das gilt bis heute. Einmal kam von Nokia die Anfrage, ob wir auch jüngere Künstler berücksichtigen könnten, was wir natürlich auch versuchen. Aber wir wissen auch, dass unser Publikum mehr in Richtung 80er-Jahre geht und dass es auch das immer jünger werdende Publikum zu schätzen weiß, Originale zu hören – und bei uns gibt es sie.


Haben die negativen Schlagzeilen von Nokia vor knapp einem halben Jahr dem Vorverkauf der diesjährigen Shows geschadet?

Es gab tatsächlich eine 14-tägige Delle im Ticketverkauf. Einige Fans legten uns auch nahe, den Sponsor zu wechseln. Fakt ist: Nokia hat die Werksschließung schlecht kommuniziert und die Wirkung in der öffentlichen Wahrnehmung unterschätzt. Fakt ist aber auch, dass hier einige Politiker extrem populistisch aufgetreten sind – dabei trägt die Politik ja eine ganz erhebliche Mitschuld an der Entwicklung. Schließlich wurden einige, für Nokia entscheidende Zusicherungen – zum Beispiel über anzusiedelnde Zuliefererfirmen – nicht eingehalten. Das wird nur zu gerne verschwiegen.


Auch 2008 versuchen Sie, die Eintrittspreise kundenfreundlich zu halten.

Ja, wir legen wert auf faire Eintrittspreise: 30 bis 60 Euro kosten die Tickets in diesem Jahr. Das ist für das, was wir bieten, enorm günstig. Vor allem, wenn man das mit den Preisen für Céline Dion oder Tina Turner vergleicht, wo man mit bis zu 150 Euro dabei ist. Ich bin ein Verfechter von moderaten Ticketpreisen. Auch wenn durch die Probleme der Tonträger-Industrie die Künstlereinnahmen geschrumpft, die Gagen für Live-Auftritte aber explodiert sind. Man muss doch nur mal rechnen: Wenn ich zu einem großen Kaliber gehe, kostet das pro Karte unter Umständen 150 Euro. Meine Frau geht mit. Wir parken den Wagen, essen Würstchen und trinken ein Bier. Da sind wir – summa sumarum – ganz schnell bei 340 Euro. Dafür fliege ich all-inclusive für eine Woche nach Mallorca. Das muss man sich vorstellen! Selbstverständlich kann sich dieser Konzertbesucher keine zweite Show im Monat mehr leisten. Da werden die Kämpfe der Konzertveranstalter auf dem Rücken der Zuschauer ausgetragen – eine Entwicklung, die ich für ganz gefährlich halte.


Ist dann "Nokia Night Of The Proms" das Konzertspektakel des kleinen Mannes?

Nein, das kann man so nicht sagen. Wir wissen, dass wir eine ganz, ganz breite Publikumsstruktur ansprechen. Diverse Befragungen haben drei Dinge deutlich gemacht. Erstens: Unser Publikum hat ein höheres Einkommen als der Schnitt des jeweiligen Bundeslandes oder der Stadt. Wir sind quasi eine "tourende Gala". Zweitens: Der Umsatz für Getränke und Essen ist bei "Nokia Night Of The Proms" größer als sonst in der Location. Und drittens: Unsere Besucher in der Kernzielgruppe von 29 bis 49 Jahren bringen ein überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau mit.


Wie viel von Dirk Hohmeyer steckt in der Produktion?

Hundert Prozent. Ich stehe morgens mit "Night Of The Proms" im Kopf auf und gehe nachts damit ins Bett. Mann könnte sagen: Ich träume "Proms". Aber das liegt einfach und allein daran, dass ich mich auch mit meinem musikalischen Geschmack verwirklichen kann. Dabei versuche ich, so bodenständig wie möglich zu bleiben. Fest steht: Ich bin immer noch ein Fan und habe wirklich Gänsehaut, wenn ich bei der Show zuhöre und zusehe. Okay, der wirtschaftliche Erfolg ist wichtig. Doch für mich gibt es nichts Schöneres bei der Tour, wenn ich die Reaktionen und die Emotionen des Publikums spüre. Das ist für mich die totale Verwirklichung, da bin ich nur noch glücklich. Karsten Jahnke hat mir vor vielen Jahren mal gesagt, dass wohl niemand in dieser schnelllebigen Branche so lange auf ein und dieselbe Nummer gesetzt und sie dadurch kontinuierlich und konstant vorwärts gebracht hätte. Das fasse ich als großes Kompliment auf.


Ein Blick in Ihr CD-Regal würde also wohl Aufschluss auf zukünftige "Nokia Night Of The Proms"-Acts geben?

Ja, das kann man so sagen. Aber mein Background bei Virgin schlägt natürlich auch durch.


Welche Träume von "Proms"-Acts werden wohl trotzdem unerfüllt bleiben?

Na ja, die Träume von Rod Stewart, Elton John oder Paul McCartney. Das sind schon die Giganten. Wenn die mit einem Orchester touren wollen, dann machen die das – doch das können wir nicht mehr bezahlen. Das geht trotz Sponsoring nicht, und selbst dann nicht, wenn wir – was wir ohnehin nicht tun würden – die Ticketpreise verdoppeln würden.


Sie touren mit einem Tross von verschiedenen Stars, mit – wovon man ausgehen darf – oft ausgeprägten Egos. Kracht es da nicht öfters mal hinter den Kulissen?

Ein Journalist hat bei einer Pressekonferenz in Frankfurt mal gesagt: "Wenn ich euch nicht so gut kennen würde, würde ich einen Sektenbeauftragten informieren." Das heißt: Es gelingt uns immer wieder, einen Haufen von fremden Menschen zusammenzubringen. Und: sie gehen, nahezu ohne Ausnahme, während der gesamten Tour höchst respektvoll, kollegial und freundschaftlich miteinander um. Das ist wirklich ein Phänomen. In Deutschland ist es leider nicht unüblich, dass Künstler untereinander einen Konkurrenzkampf ausfechten und neidisch sind auf die Erfolge des anderen. Anders sieht es da bei englischen und amerikanischen Künstlern aus. Die haben voreinander sehr hohen Respekt und Wertschätzung.


"Nokia Night Of The Proms" funktioniert glänzend in Holland, Belgien und Deutschland. Wo sehen Sie noch ein Wachstumspotenzial?

Wir haben festgestellt, dass die "Proms" nur da funktionieren, wo wir persönlich auch vor Ort sind. Außerdem verfolgen wir ja mehr das Dienstleistungsprinzip. Ein traditioneller Konzertveranstalter hat heute Künstler A und morgen Künstler B – und er weiß nicht, ob er A oder B jemals wieder sieht. Außerdem hat dieser Veranstalter relativ wenig Bezug zu seinem Publikum, weil das Publikum zum Künstler kommt und nicht zum Veranstalter. Das ist ein Kundenbindungsproblem. Wir dagegen haben eine Firma in Holland, Belgien und in Deutschland. Wir waren jetzt im April erst in Spanien und Nordbelgien, was tierisch Spaß gemacht hat. Nächstes Jahr werden wir weitermachen – wir sehen da eine Entwicklung. Ich bin natürlich auch interessiert, irgendwann mal wieder an Österreich und an die Schweiz zu denken. Doch bevor wir da aktiv werden, muss ich davon überzeugt sein, dass es funktioniert. Die Show ist so teuer, dass jeder falsche Schritt ein Reihenhaus versetzt.


Was ist mit der Niederlassung in Frankreich?

Die haben wir dieses Jahr pausieren lassen. Wir haben in fünf Jahren die bittere Erfahrung machen müssen, dass vielleicht 2000 Leute pro Stadt das Konzept verstanden haben, der Rest kauft nach Programm beziehungsweise den auftretenden Künstlern. Das ist zu wenig zum Leben, wenn wir mit so vielen Menschen unterwegs sind. Die Show ist wahnsinnig teuer, allein durch die Menschenmassen, die wir bewegen und die Gagen, die wir zahlen.


Ende der 90er-Jahre waren Sie schon in Österreich und Schweiz auf Tour.

Ja, wir haben 1997 und 1998 in Österreich, in der Schweiz sogar noch öfters gespielt. Aber da gibt es ein ähnliches Phänomen wie in Frankreich: Es gab etwa 4000 feste Leute in Zürich – und der Rest hat je nach Programm reagiert. Das ist nicht kontrollierbar. Außerdem ist die Schweiz so teuer, da kannst du noch nicht mal mit den Hotels irgendwelche Deals machen. Ich hab zum Teil das Orchester nachts nach München geschickt, weil das billiger war.


Der amerikanische Markt wäre doch attraktiv – und Klassik-Pop-Konzepte werden dort gerne angenommen.

Stimmt, aber es ist auch ein heikler Markt. So hat man es dort mit einer sehr resoluten Gewerkschaft zu tun. Für uns ein Knackpunkt, denn: Der eigentliche Star unserer Show ist das Orchester. Das muss man der amerikanischen Gewerkschaft jetzt erst einmal klar machen. Die Amerikaner, die mit Orchester touren, haben nämlich an jedem Ort ein anderes Orchester. Und wenn wir unser Orchester nicht mitnehmen können, ist die ganze Show schon künstlerisch kastriert. Des Weiteren machen diese Gewerkschaften die ganzen Sachen so teuer, dass sich bis jetzt keiner getraut hat, an die Nummer ranzugehen. Viel versprechend sehe ich dagegen eine ganz andere Region: die Vereinigten Arabischen Emirate. Wir haben schon vor drei Jahren interessante Gespräche geführt. Diese Diskussion haben wir soeben wieder aufgenommen. Wie gesagt: Wir brauchen einen soliden, zuverlässigen Partner, jemand, der sich nicht von den Zahlen, die wir vorlegen können, blenden lässt. Sondern jemand, der unsere Philosophie versteht und sie mit uns teilt.


Wie viel Umsatz generieren Sie während der Tour durch Merchandising?

Auch hier bildet unser Konzept eine Ausnahme: Unser Publikum kauft keine Merchandising-Artikel im traditionellen Sinne wie T-Shirts, Caps und so weiter. Aber: Sie kaufen unsere Live-CDs und -DVDs sowie die der Solisten, die sie soeben erst kennen gelernt haben. Und das beträchtlich!


Das sollte die Plattenindustrie doch mit Freude hören. Wie sieht es da mit Kooperationen aus?

Die gibt es kaum oder gar nicht. Die paar wenigen Künstler, die mir aus Deutschland angeboten wurden, kamen nicht über die Plattenfirma. Das kam von Managern oder von Freunden, aus meinem Netzwerk oder eben von Leuten, die einfach Ideen haben. Ich habe mal bei Silbermond angeklopft, hatte auch einen Termin mit der Band. Ich bin echt ein Fan von der Formation. Die haben aber abgelehnt, sagten, sie müssten sich erst in ihrem eigenen Feld beweisen, und so weiter. Ich verstehe das. Aber andererseits: Das ist doch bilateral. Das Engagement bei uns schadet ihnen doch nicht – es kann ihnen aber eine ganz neue Hörerschaft erschließen. Das kapieren die Amerikaner, die Engländer, die Franzosen... Nur die Deutschen nicht.


Ist das nicht zum Verzweifeln?

Nein, nicht mehr. Das macht mich nur stärker. Die Konsequenz ist, dass es eben keinen deutschen Act in diesem Jahr gibt.


Sie sagen, Sie sind noch immer ein Fan der Show und der Musiker. Geht das soweit, dass Sie Ihre Künstler um ein Autogramm bitten?

Meine Frau hat vor ein paar Jahren dankenswerterweise ein Gästebuch angelegt, das sie immer heimlich herumgehen lässt. Am Ende der Tour bekomme ich es immer überreicht. Dann sitze ich in meiner Ecke und heule vor Rührung.




Das Interview führte Gunter Matejka vom Musikmarkt live, dem Fachmagazin für Live Entertainment. 02.07.2008

Musikmarkt Live:
Autor: Gunter Matejka




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